Ziege, klein BARWICK.DE/BLOG
Japan

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Sunday, July 3, 2005   9:32 AM

Kartoffelkochen

Aus dem Internet erreichte mich folgendes lustiges Rundschreiben ohne Verfasserangabe:

> So bereiten Japaner eine Kartoffel zu:
>  
> - Man heizt einen neuen, hochwertigen Herd auf 200 Grad Celsius
>  
> - Man legt eine große Folien-Kartoffel hinein
>  
> - Man wendet sich in den folgenden 45 Minuten einer produktiven Aufgabe zu
>  
> - Dann wird überprüft, ob die Kartoffel gar ist; man nimmt die gekochte Kartoffel aus dem Herd und serviert sie
>  
> So bereiten deutsche Unternehmen eine Kartoffel zu:
>  
> · Man gründet ein Projektteam und definiert genauestens alle Einzelheiten des Projektes.
>  
> 1 Das Team sucht 6 Monate nach einem ISO 9002 zertifizierten Kartoffellieferanten und findet keinen.
>  
> 2 Dann wird ein Rübenlieferant gezwungen, Kartoffeln zu liefern.
>  
> 3 Da er keine Kartoffeln im Programm hat, kauft er sie von einem unzertifizierten Kartoffelhändler und schlägt 25%
> auf den Kartoffelpreis auf.
>  
> 4 Der Rübenlieferant wird beauftragt, den Herd auf 200 Grad vorzuheizen
>  
> 5 Man verlangt, dass der Lieferant zeigt, wie er den Knopf auf 200 Grad gedreht hat und erwartet, dass er
> Informationsmaterial des Herdherstellers beibringt, aus dem hervorgeht, dass der Herd richtig geeicht ist
>  
> 6 Man überprüft das Informationsmaterial und veranlasst dann den Lieferanten, die Temperatur mit Hilfe eines
> zertifizierten Temperaturfühlers zu überprüfen und weist den Lieferanten an, die Kartoffel in den Herd zu legen und
> die Zeituhr auf 45 Minuten zu stellen
>  
> 7 Man veranlasst den Lieferanten, den Herd zu öffnen, um zu zeigen, dass die Kartoffel richtig platziert wurde und
> erbittet eine Studie, die beweist, dass 45 Minuten die ideale Garzeit für eine Kartoffel dieser Größe ist
>  
> 8 nach 10 Minuten Prüfung, ob die Kartoffel gar ist
>  
> 9 nach 11 Minuten Prüfung, ob die Kartoffel gar ist
>  
> 10 nach 12 Minuten Prüfung, ob die Kartoffel gar ist
>  
> 11 man wird ungeduldig mit dem Lieferanten (warum dauert es so lange, eine einfache Kartoffel zu kochen?) und
> veranlasst einen aktualisierten Gar-Statusbericht alle 5 Minuten.
>  
> 12 Nach 15 Minuten wird geprüft, ob die Kartoffel gar ist
>  
> 13 Nach 35 Minuten kommt man zu dem Schluss, dass die Kartoffel fast fertig ist
>  
> 14 Man gratuliert dem Lieferanten, dann informiert man den Lenkungsausschuss über das hervorragende
> Arbeitsergebnis, das erzielt wurde, obwohl man mit einem unkooperativen Lieferanten zusammenarbeiten musste
>  
> 15 Nach 40 Minuten Garzeit nimmt man die Kartoffel aus dem Herd, um eine Kosteneinsparung ohne Wert- und
> Qualitätsminderung der Kartoffel im Vergleich zu der ursprünglich angesetzten Garzeit von 45 Minuten zu realisieren.
>  
> 16 Man serviert die Kartoffel und wundert sich, wie zum Teufel die Japaner so eine gute, preiswerte Kartoffel
> kochen, die den Leuten offensichtlich besser schmeckt als die deutschen Kartoffeln.
>  
> 17 Zwischenzeitlich gibt es verschiedene Verbesserungsvorschläge des Managements:
>  
> · Man könnte Rüben in Kartoffelform verwenden um Kosten zu sparen
>  
> 1 Der fehlende Kartoffelgeschmack soll dann in einer Imageoffensive den Kunden als neues Qualitätsmerkmal
> dargestellt werden.
>  
> 2 Es wird gefordert, bei 20% geringerer Gartemperatur im Herd die Garzeit um 20% zu verkürzen.
>  
> 3 Man prüft, ob es nach einer Verlagerung des Herdes nach Tschechien noch möglich ist, die Kartoffeln in
> Deutschland heiß zu servieren..

Da ich keine großen Erfahrungen mit der deutschen Kartoffelnindustrie gemacht habe, verzichte ich auf einen Kommentar. Mir ist aber danach, als ob es in den dargestellten Vorgängen eine Erwähnung des Innovationspreises German Potato fehlt.

Die Darstellung der japanischen Vorbereitungsmethode ist in seiner Naivität jedoch fast rührend süß. Wer den japanischen Markt jemals von drinnen erlebt hat, wird wissen, das es dort eher so abläuft:

- Man sucht erst gar nicht nach einer grossen Kartoffel. Im Supermarkt gibt
es nur kleine Kartoffeln in aufwendigen Dreierpackungen zum Preis von
ca. €0,75 pro Kartoffel. Das liegt nicht nur daran, dass die Japaner wenige
Kartoffeln essen, sondern auch, dass die Kartoffeln den Supermarkt durch
ein weitverzweigtes Netz von Zwischenhändlern erreichen. Ausserdem achtet die
Japanese Potato Growers Association sehr darauf, dass möglichst
wenige grosse böse ausländische Kartoffeln den heimischen Markt verderben,
die u.a. aufgrund ihrer Größe Unfälle verursachen könnten, wenn man versuchen
würde, sie in den kleinen japanischen Herden vorzubereiten.
Das erreicht sie durch eine grosszügige Lobby-Arbeit, die im Endeffekt
ein Teil des Kaufpreises in die Wahlkampfkasse der regierenden Liberaldemokratischen
Partei fliessen laesst. Dadurch werden Kartoffel teuer, so dass die Japaner
wenig Kartoffeln essen.

- dass die Kartoffeln klein sind, ist aber kein Hindernis, da der Herd auch
recht klein ist, u.a. weil es in Japan keine großen Kartoffeln gibt.
Dafuer hat er einen eingebauten Bordrechner mit einer Vielfalt von Optionenen
und funktioniert auch als Mikrowelle und Reiskocher. Die neuesten Modelle
haben auch einen GPS-Empfänger und Bordnavigation eingebaut.

(Dafür, muss man zugeben, ist das Gerät recht leicht zu bedienen;
würde man der westlichen Welt sowas bauen, müsste man erst die Funktionstaste
drücken, drei Mal auf die Sich-im-Menü-Bewegtaste und dann die linke Bestätigungstaste
genau 2,3 Sekunden festhalten, um das Kartoffel-Zubereitungsprogramm zu starten,
nur um festzustellen, dass man damit den Videorekorder dazu gebracht hat, die
Sendung "Schönste Stunden der Lederhosenorientierten Volksmusik" aufznunehmen).
Der japanische Herd hat dagegen gleich neben dem Hello Kitty Logo grosse Tasten mit
Aufschriften wie  "Kartfoffel zubereiten","Popcorn machen", "Reis kochen").

- Während die Mini-Kartoffel kocht, überlegt man sich in einer gemeinsamen
Runde, wie man am Besten ein Hello-Kitty-Logo auf das fertige Produkt
anbringt. Ausserdem wird eine Verpackungsmethode erfunden, die
den Vertrieb von vorgekochten Kartoffeln in den landesweit über 20.000
"Convenience Stores" ermoeglicht. Hier wird eine ausgeklugelte Verpackung
aus Plastikfolie erfunden, die bei der Öffnung die Haut vom Kartoffel sauber
abtrennt und Mayonnaise [*] in die Kartoffel  verteilt. Es werden ausserdem
diverse Füllungen entwickelt, z.B. Tuna, Fischeier, Natto, und etwas Glibberiges
was man sonst nie in Zusammenhang mit Kartoffeln gebracht hätte.

[*] Butter in Japan ist noch teurer als Kartoffeln. Mayonnaise dagegen
sprudelt scheinbar grenzenlos aus natürlichen Quellen.


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